Bauverzug anzeigen und Fristen setzen
Treten Verzögerungen am Bau auf, sollten Sie prüfen, ob auch ein Verzug im rechtlichen Sinne vorliegt. Denn nur bei Verzug können Sie die durch die Verzögerung des Baus entstandenen Schäden vom Bauunternehmer erstattet verlangen. Prüfen Sie in Ihrem Bauvertrag, ob darin feste Vertragsfristen vereinbart sind. Sind möglicherweise von Ihnen irgendwelche Leistungen zu erbringen, damit die Arbeiten beginnen können? Zum Beispiel ist der Beginn der Bauarbeiten regelmäßig vertraglich an den Erhalt der Baugenehmigung geknüpft. Sie sollten insoweit prüfen, ob Sie alles Ihrerseits Erforderliche getan haben.
Sind keine fixen Fristen im Vertrag vereinbart, sollten Sie angemessene Fristen zur Leistung setzen. Erst mit Fristablauf gerät die Gegenseite in Verzug.
Im Rahmen der Vertragsanbahnung machen Bauunternehmen häufig mündliche Zusagen, bis wann die Leistung erbracht werden kann. Findet sich diese Zusicherung nicht im Vertrag wieder, können sich Bauherren nur schlecht auf die Zusagen berufen. Nicht selten erinnert sich der Bauunternehmer plötzlich nicht mehr an seine Zusagen oder er beruft sich darauf, dass keine verbindliche Frist vereinbart werden sollte. Auch insoweit ist mit Fristsetzungen zu arbeiten.
Einwände des Bauunternehmers bei Verzögerung am Bau
Hat der Bauherr den Bauverzug angemahnt und Fristen gesetzt, erhebt der Bauunternehmer oft Einwände, weshalb aus seiner Sicht kein Bauverzug besteht. Teilweise erfolgt eine Behinderungsanzeige. Die Einwände sind nicht immer begründet.
Subunternehmer ist verantwortlich
Ein Standard-Argument des Bauunternehmers ist, dass der von ihm eingesetzte Subunternehmer für die Verzögerungen verantwortlich sei, aus was für Gründen auch immer. Dieses Argument greift aus rechtlicher Sicht selten durch. Denn der Bauunternehmer ist rechtlich für den von ihm eingesetzten Subunternehmer verantwortlich. Dieser ist sein Erfüllungsgehilfe.
Ausstehende Zahlungen
Häufig möchte der Bauunternehmer den Auftraggeber zu ungerechtfertigten Zahlungen bewegen. Er stellt unberechtigt Rechnungen und behauptet, die Bauarbeiten seien aufgrund ausstehender Rechnungen nicht weiter fortgeführt worden. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Unternehmer im Bauvertrag grundsätzlich vorleistungsverpflichtet ist. Der Unternehmer muss die Leistung erbringen. Die Vergütung wird erst mit der Abnahme des Werkes fällig. Der Unternehmer kann gleichwohl Abschlagszahlungen verlangen, dies aber nur für geleistete Arbeiten.
Corona, Krisen und Materialknappheit
Nicht selten liest man pauschale Ausreden für die Verzögerungen, die aber aus rechtlicher Sicht völlig unbeachtlich sind. Schon fast amüsant kettet in einem derzeit von der Kanzlei Dalmer|Law geführten Gerichtsprozess das dort beklagte Unternehmen gleich ein Vielzahl pauschaler Ausreden aneinander. In einem Schriftsatz schreibt das beklagte Unternehmen:
Nun dürfte allgemein bekannt sein, dass wir in Deutschland einen Facharbeitermangel haben, was insbesondere für Elektriker gilt. […] Unter Berücksichtigung der Ferienzeiten ist die geplante Montage der PV-Anlage im Verlauf des Monats November 2021 nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass es bedingt durch die allgemeinkundige Pandemie und des auf Grund gelaufenen Containerriesens „Ever Given“ im Suezkanal am 23. März 2021 weltweit zu Lieferschwierigkeiten gekommen ist. Diese zeigten sich in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021 insbesondere für Kupferleitungen. Es war fast unmöglich, Material zu bekommen.
In einem Absatz beruft sich das Unternehmen pauschal auf die Verzögerungsgründe „Facharbeitermangel“, „Ferienzeiten“, „Pandemie“, „Lieferschwierigkeiten“ und „Materialknappheit“. Es ist schon nahezu amüsant, wie verschiedene Ausreden pauschal für den Bauverzug bemüht werden. Vor Gericht kann solch ein pauschaler Vortrag nicht durchgreifen. Es ist stets konkreter Vortrag erforderlich, warum der benannte Umstand den Verzug verursacht hat. Bspw. müsste das Unternehmen vortragen, welche Mitarbeiter wann Corona-bedingt ausgefallen sind, warum keine anderen Mitarbeiter einspringen konnten, etc. Erst dann kann im Einzelfall geprüft werden, ob ein Entschuldigungsgrund vorliegt.
Vertragsstrafe bei Bauverzögerungen
Teilweise sind in Bauverträgen Vertragsstrafen geregelt. Diese können zum Beispiel bestimmte Tagessätze für Bauverzögerungen vorsehen. Haben Sie eine Vertragsstrafe vereinbart, ist dies ein gutes Druckmittel, um den Bauunternehmer zur Leistung zu bewegen. Gleichwohl kann die Vertragsstrafe für sich genommen oft nicht die tatsächlich durch den Bauverzug entstandenen wirtschaftlichen Schäden kompensieren. Der Bauherr ist dann auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen angewiesen.
Bei einer Abnahme sollte sich der Bauherr die Geltendmachung der Vertragsstrafe vorbehalten und dies im Abnahmeprotokoll vermerken.
Schadensersatz bei Bauverzug
Liegt ein Bauverzug vor, den der Bauunternehmer zu vertreten hat, stehen dem Bauherren regelmäßig Schadensersatzansprüche zu. Die möglichen Schadensersatzpositionen sind vielfältig und richten sich nach dem jeweiligen Einzelfall.
Eine große Schadensersatzposition sind häufig Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der Bauherr die Arbeiten nach einer Kündigung anderweitig durchführen lässt. Es können Mehrkosten für die Anmietung von Ersatzwohnraum und für die Einlagerung vom Gegenständen entstehen. Auch können Ersatzansprüche für dafür angemeldet werden, dass der Bauherr aufgrund des Bauverzuges nicht in den Genuss seines neuen Hauses kommt. Kann er dieses nicht vermieten, ist der Mietausfall die Schadensposition. Möchte er das Haus selbst nutzen, entgeht ihm die Nutzung. Einen Schadensersatzanspruch kann man in diesem Fall bspw. derart berechnen, dass der mit seiner Familie auf 100 qm wohnende Bauherr sein 200 qm Haus nicht nutzen kann. Hier kann der Wert der entgangenen Nutzungsmöglichkeit wirtschaftlich bspw. unter Heranziehung des Mietspiegels berechnet werden.
Tipp: Auch die entstehenden Rechtsanwaltskosten können dem sich im Verzug befindlichen Bauunternehmen als Schadensersatzposition in Rechnung gestellt werden.
Kündigung bei Bauverzögerungen
Der Bauverzug kann auch einen Kündigungsgrund darstellen. Der Auftraggeber kann den Bauvertrag in der Regel nach Ablauf angemessener Fristen kündigen. An anderer Stelle haben wir bereits darauf hingewiesen, dass eine Kündigung sorgsam überlegt sein sollte. Es besteht stets das Risiko, dass dem Bauunternehmen bei einer unberechtigten Kündigung entgangener Gewinn zusteht. Dies sollte unbedingt vermieden werden.
Bauverzug nach VOB
Für den VOB/B-Vertrag sieht § 5 VOB/B spezielle Regeln vor. In Absatz 4 sind verschiedene Verzugstatbestände genannt, nämlich
- dass der Unternehmer den Beginn der Arbeiten verzögert,
- dass der Unternehmer mit der Vollendung in Verzug gerät, oder
- dass der Auftraggeber erkennt, dass Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile so unzureichend sind, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können und er insoweit Abhilfe verlangt und dem Verlangen nicht unverzüglich nachgekommen wird.
Der Bauherr kann in diesen Fällen bei Aufrechterhaltung des Vertrages Schadensersatz verlangen oder dem Bauunternehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde.
Wie kann ein Anwalt Verzögerungen am Bau unterstützen?
Eine Kanzlei für Baurecht prüft in Fällen von Verzögerungen am Bau zunächst die Vertragsdokumente und die tatsächlichen Geschehnisse, um zu bestimmen, ob die bemängelte Verzögerung auch einen Verzug im rechtlichen Sinn begründet.
Falls noch kein Verzug eingetreten ist, setzt der Anwalt in der Regel zunächst eine außergerichtliche Frist, mit deren Ablauf die Gegenseite in Verzug gerät.
Wenn der Verzug eingetreten ist, hat der Bauherr verschiedene Handlungsoptionen, die gemeinsam mit dem Anwalt erörtert werden. Häufig kommt auch eine Kombination der Optionen in Betracht.
In der Regel ist der Bauherr daran interessiert, die ordnungsgemäße Leistung schnellstmöglich zu erhalten. Hier hilft regelmäßig ein druckvolles anwaltliches Einschreiben, mit dem das Unternehmen unmissverständlich zur Leistung aufgefordert wird. In unserer Erfahrung reagiert das Bauunternehmen auf ein derartiges anwaltliches Einschreiben mit typischen Ausreden (siehe oben), aber komischerweise kommt sodann trotzdem Bewegung in die Baustelle. Falls dies nicht der Fall ist, erörtert der Anwalt mit der Mandantschaft die Möglichkeit zur Kündigung verbunden mit einer Ersatzvornahme.
Zugleich kann der Bauherr mit dem Anwalt mögliche Schadenspositionen erörtern und den ersatzfähigen Schaden berechnen. Hier hilft es, vorbereitet in die anwaltliche Beratung zu kommen und Nachweise für potentielle Schadenspositionen zu übermitteln. Den Schadensersatzanspruch macht der Anwalt in der Regel zunächst außergerichtlich geltend. Erfolgt außergerichtlich keine Zahlung können die Ansprüche im Klagewege durchgesetzt werden.